CÉLESTINES WELT

 

 

Ich habe mich schon sehr früh mich mit den Essgewohnheiten der Hamburger und Schleswig-Holsteiner auseinandergesetzt. Als Kleinassel bin ich bei liebevollen Menschen aufgewachsen, deren Kochleidenschaft bei mir sicherlich ihre Neugierde nach Neuem  ausgelöst hat.  Bei meinen Ausflügen in Planten un Blomen höre ich immer gerne an Parkbänken bei Frauen zu, um Rezepte und allzu Menschliches aus der Region zu sammeln. Mein rotes iPhone dient dabei als Dokumentationsmittel. Abends, wenn ich von meinen ausgiebigen menschlichen Fortbildungsspaziergängen zurückkomme, sortiere ich meine Aufzeichnungen und lade sie in meine iCloud hoch! Einen Teil meiner Rezepte verrate ich in meinem Blog:  Célestine – Kochen mit 14 Beinchen, der weltweit unter Asseln für Aufmerksamkeit sorgt.

 

Meine Kosmetikserie  “Célestine One“ und „Bleu“, in der ich abgestorbene Chitinpanzer mit Grundwasser von Planten un Blomen mische und mit Regenwurmhaut emulgiere, ist ein Hit unter meinen Freundinnen. Eine Art Feuchtigkeitscreme für Asselfrauen mit trockener Haut. Und gerade nützlich für Asseln bei längeren Reisen, wenn die Feuchtigkeitssperre gestört ist. Lulu, Ehefrau von Jaques, meinem Cousin aus Arcachon an der französischen Atlantikküste, ist Vertriebschefin für Frankreich. Ich bin gerade dabei ein Start-up mit befreundeten Asseln in Hamburg zu gründen.

 

Bei so viel Häutungen von Asseln fallen Unmengen von Biomasse an, die sich im Laufe der Zeit zersetzt. Bei ersten Versuchen mit einem ortsansässigen Apotheker haben wir frisch gehäutete Asselhaut getrocknet und mit Pflanzenfett emulgiert. Es ist ein Konkurrenzmittel der potenzsteigernde Mittel auf dem Markt wie Viagra und Cialis sowie güns­tige Generika (Nach­ahmerpräparate ). Wir bleiben jedenfalls dran. In der Zwischenzeit beschäftigen wir in unserem Werk in HH bereits 100 Jungasseln. Die Beantragung zur Bio-Zertifizierung läuft und wir haben natürlich auch den französischen Markt im Auge,  der im Rahmen unserer frankophilen Familienverbundenheit aktiviert werden soll. Erste Versuche einer Assemblage mit Hamburger Asselhaut und der etwas herberen Haut aus Arcachon scheinen erfolgversprechend.


 

Hier das, wie im Prolog beschriebene Rezept für etwa 200 bis 300 Asseln von unseren Vettern Jaques und Charles für alle, die es nicht kennen

 

Die Zutaten: 2 schöne grüne Kohlköpfe, Speckscheiben zum Auslegen (Bardieren), 4 Esslöffel Öl

Für die Füllung: 500 g Mangoldblätter, 200 g Petersilie, 1 große Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, 300 g gekochtes Fleisch (Kalb, Schwein, Rind, Huhn), 200 g blanchierter halbgesalzener Brustspeck, 5 Eier,150 g Mehl, 15 Tassen Milch, Salz und Pfeffer

die Vorbereitung

 

Den Kohl putzen und die Blätter einige Minuten in kochendem Salzwasser blanchieren. Auf einem Tuch abtropfen lassen. Der Clou : Fleisch und Speck in den Mixer geben. Mangold, Petersilie, Zwiebel und Knoblauch mit einem Messer grob hacken und alles miteinander vermischen. Das Hackfleisch in eine Schüssel geben, Eier, Mehl, Salz, Pfeffer und nach und nach die Milch hinzugeben. Sie sollten eine ziemlich feste Füllung erhalten. Backofen auf 180°C, Thermostat 6 vorheizen. Ölen Sie den Boden einer Auflaufform mit 24 cm Durchmesser, legen Sie die Oberseite mit den größten Kohlblättern aus und lassen Sie sie aus der Auflaufform herausragen. Eine dünne Schicht Füllung auf den Boden legen, mit einer Schicht Kohlblätter bedecken. Die ganze Auflaufform garnieren und mit dem Kohl enden.  Mit 2 EL Öl beträufeln und den Speckstreifen auf den Kohl legen. Zugedeckt 3 Stunden backen. Wenn Sie bereit zum Servieren sind, stürzen Sie den gefüllten Kohl auf die heiße Servierplatte. Schneiden Sie es wie einen Kuchen und verteilen Sie Besteckt. Auch mit sehr viel Beinchen benötigen Asseln manchmal auch Besteck. Und wenn dann einige hundert Asseln mit strahlenden Augen am Tisch sitzen und schmatzen, kann das Glück nicht größer sein! Oder, was denken Sie? Édouard-Louis schlief mit einem Lächeln neben mir ein. Für ihn war es heute schon ein echtes Abenteuer und das mußte er jetzt im Schlaf erst einmal verarbeiten. Man spürte es am Zucken (Restless Legs) einiger seiner unzähligen Beinchen.

 

Auf den folgenden Seiten will ich mich aber der Küche nördlich von Hamburg  ganz unter dem Aspekt Kochen mit 14 Beinchen widmen .

 

 

"So schmeckt der Norden" aus der Sicht einer Assel! Oder was denkt Ihr?

 

Naturpark, Biosphärenreservat und Weltnaturerbe – alles Spezifika, die das Land zwischen den Meeren ausmachen. Und mittendrin Sylt, unser Ziel auf der Reise nach Norden. Auf den Geschmack selbst bezogen, ist dieser Ansatz eher von nebensächlicher Bedeutung. Und das gerade bei Asseln. Denn der Geschmack ist so individuell, dass man seit Jahrhunderten immer wieder den Versuch unternimmt, den begrifflichen Ansatz, der subjektives Erleben und subjektive Erfahrung beschreibt, eingrenzen zu wollen. Und das macht den Dialog über Geschmack, genauso wie über Kunst und Kreativität insbesondere in der Küche, so interessant und spannend. Erst in Auseinandersetzungen und gedanklichem Austausch wird der Geschmack sichtbar und in Teilbereichen auch sprachlich fixierbar. Mein Credo heißt deshalb Kochen mit 14 Beinchen.

 

Und „So schmeckt der Norden“ stellt dabei den Versuch dar, den Geschmack regional - oder bezogen auf regionale Produkte - einzugrenzen. Das setzt allerdings den Grundsatz voraus, die Produkte in den Fokus des Diskurses zu stellen, die ausschließlich im Norden im Land zwischen den Meeren angebaut und verarbeitet werden, um den sogenannten regionaltypischen Geschmack für die individuelle Assel unter uns Spezies sicht- und schmeckbar zu machen. Hierbei zeigt sich gleichzeitig das wichtigste Problem des Geschmacks. Jede Assel hat, ob sie will oder nicht, eine geschmackliche Sozialisation, die mit Vorzügen und/oder Ablehnungen seiner familialen Geschmackserziehung zu tun hat und mit diesen erlernten Besonderheiten seine Umgebung wahrnimmt. Da kann es schon passieren, dass eine Assel aus München – z.B. aus dem Olympiapark - einen anderen Geschmackshorizont entwickelt als ihre Kollegen/Innen aus dem Berliner Stadtpark im Vergleich zu uns bei Planten un Bloomen oder ganz weit weg bei unseren Freunden in Frankreich.

 

Hinzukommen in den letzten Jahren Allergien, Unverträglichkeiten und Abneigungen gepaart mit gesellschaftlichen Trends zu Vegetarischem und Veganem. Ist er/sie als junge Assel auch noch in der Großstadt aufgewachsen, wo ein Bauernhof oft Kilometer entfernt ist, die „Lila Kuh“ kein Kindermärchen mehr darstellt und die McDonaldisierung und CocaColaisierung bereits stattgefunden hat, wird eine ausdifferenzierte geschmackliche Entwicklung zwischen süß, sauer, bitter, salzig, scharf und umami immer schwieriger auszubalancieren. Ich kenne Asseln, die haben nur einen verklebten Mund, weil sie sich in Cola-Dosen eingenistet haben und ihre gezuckerte Umgebung als besonders hip empfinden. In diesem Kontext besteht allerdings für den interessierten Gastgeber die Chance und die Herausforderung, durch immer komplexere und kreativere Geschmackserlebnisse auf sich aufmerksam zu machen und sich vom Durchschnitt der Mitbewerber/Innen auf dem Asselmarkt abzuheben.

 

Dieser Schritt ist mit erweitertem Wissen, Profession, Technik, gezielter Weiterbildung und großer Motivation leicht umzusetzen, wenn man das denn wirklich will. Problematisch wird es allerdings bei der kreativen Vielfalt Produkte, die nur begrenzt und dann nur in geringen Mengen in unserer grünen Hölle zu Verfügung stehen. Als kreative und motivierte Assel muss in diesem Falle von Planten un Blomen auf die Region und u.U. auch überregional auf Spitzenprodukte zurückgreifen können, um das optimale Geschmackserlebnis für meine erwartungsvollen Gäste zu ermöglichen. Das kommt allerdings oft der Quadratur des Kreises gleich. Hier gilt auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten behutsames und ökologisches sinnvolles Einkaufen und nachhaltiges Verarbeiten, was den einen oder anderen mit hohen Personalkosten an den Grenzbereich seiner Entscheidung bringt. Deshalb sollte hier jeder Kritiker prüfen, in welchem Glashaus er/sie gerade sitzt. Junge Asseln haben hier bereits eine Nische für Startups gefunden.

 

Gute Arbeit und gutes Produkt (artgerecht und ökologisch sinnvoll!) kostet Geld, und zwar viel Geld. Wer das genau wissen möchte, kann sich ja schon einmal beim Angler Rind, dem Husumer „Protestschwein“ oder dem „Vorwerkhuhn“ umschauen, denn während der industriellen Landwirtschaft auf wenig Hochleistungsrassen setzt, um unseren gierigen „geiz ist geil“ Bedarf zu fördern, verschwinden alte Kulturrassen und deren kulinarische und geschmackliche Vielfalt. Biodiversität - Vielfalt innerhalb sowie zwischen den Arten, darüber hinaus die Vielfalt der Ökosysteme - ist meine Maxime. Unsere Reise in den Norden wird vielleicht die Erkenntnis stärken. Eine andere Denkweise und Handlungsstrategie sollte es eigentlich nicht geben. Ich rufe jetzt erst einmal allen Asseln zu, sich diesen Ideen konstruktiv und kritisch zu nähern und mir mit folgender These zu folgen: „Auf in den Norden – das Meer und der Geschmack rufen!“  Nicht alle Asseln in meiner Community können dieser Idee allerdings auch wirklich folgen. Ich glaube, dass auch ihr Menschen da noch Schwierigkeiten habt, den richtigen Anschluss zu finden. Aber verlaßt Euch auf mich. Als Assel mit 14 Beinchen gehe ich ohne Dogma und rosaroter Brille voran. So, und jetzt stellt Euch vor, wie eine Assel eine rosa-rote Brille aufhat! Ist das nicht ein schönes Bild, bei dem man nur schmunzeln kann!

 

Beim Blättern durch Kochbücher und Zeitschriften, die diese Region in den Fokus meiner Betrachtung gesetzt haben, tauchen immer wieder ähnliche Rezepturen, Handlungsanweisungen und historische Kommentierungen auf. Ich ordne das unter kultureller Vielfalt oder gesellschaftlicher und sozialer Diversität ein und freue mich auf die inhaltliche, fachliche und geschmackliche Auseinandersetzung, der jetzt allerdings noch die saisonale Zuordnung folgen sollte. Einige meiner Asselfreundinnen, mit denen ich mich immer wieder zum Klönschnack treffe, kommentieren meine Ideen immer konstruktiv und kritisch und bringen ihre eigene Sichtweise mit ein. Das ist vielleicht ein Geschnatter dann allerdings mit hunderten von Beinchen, die manchmal in der Hektik durcheinandergeraten.

 

So und völlig unsortiert fielen mir bei meiner Recherche folgendes wie

 

Rote Grütze – Omas Klassiker, „Sylter Austern“, Kartoffel-Erbsensuppe mit Speck und Mettwurst, Krabbensuppe, Kartoffeln mit Krabben und Quark, Granatbrot mit Krabben und Ei, Ziegenkäse im Katenschinkenmantel, Hausgebeizter Lachs, Seemanns-Labskaus, Marinierter Ziegenkäse, Deichlamm-Karree mit Wiesenkräuterkruste, Eiskaffee „Pharisäer Art“, Grünkohl – die friesische Palme mit dreierlei Schweinefleisch, Räucherfischsalat, Matjes mit Bohnen und Speckstippe, Matjes in Apfelgelee mit Schnittlauchdip, Frikadellen mit gestovtem Spitzkohl, verschleiertes Bauernmädchen (farbige Schichtspeise mit Quark), Friesentörtchen, Birnen, Bohnen und Speck, Rühreibrot mit Kieler Sprotten, Föhrer Muscheltopf (Geschlossene Gesellschaft), Kohlpudding, Sauerkraut mit Föhrer Muscheln, Lachs mit Gurkengemüse, Maischolle mit Speckstippe, Schnüsch, Bratkartoffeln mit Sauerfleisch, Schnitzel Holsteiner Art, Himmel und Erde, Steckrübeneintopf, Brathering im Pfeffer-Kräuter-Sud, Schmorgurken mit Räucheraal, Dicke Bohnen mit Helgoländer Hummer, Schellfisch mit Senfsoße, Heringssalat, Seezunge auf Blattspinat mit Zitronenemulsion

 

und vieles mehr auf.

 

Greife ich jetzt einmal nur die Rezepturen heraus, die mit Fisch beginnen oder enden, taucht automatisch die Frage nach der Herkunft des zu verarbeitenden Fisches auf. Im Hamburger Hafen locken viele optische Aufheller als Speisekarten mit „fangfrischem Fisch“, „Kutterscholle“ oder „hausgemacht“ zum kulinarischen Verweilen. Wer jetzt schon der Frage nachgeht, ob der Fisch vor der Hafenhaustür, der Nordsee/Ostsee oder dem Nordatlantik stammt, wird manchen Gastgeber vor Erklärungsversuche stellen müssen. Uns Asseln natülich auch. Das Thema Fisch ist nämlich sehr komplex und automatisch mit Fragen zwischen Bestandsschutz, Naturschutz und regionaler Wertschätzung verknüpft. „Frischer Fisch ist schwierig“ heißt es hier und da unter vorgehaltener Hand. Überall will der Kunde mit Fisch versorgt werden. Der Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie wollen deshalb verlässliche Belieferung vereinbarter Mengen und das, das ganze Jahr über! Fangquotenbegrenzung, seeklimatische Besonderheiten und logistische Schwierigkeiten lassen hier und da doch lieber auf TK-Ware zurückgreifen. Ob´s der Gast merkt oder sein Geschmack „Frost-Gefahr“ signalisiert? Man weiß es nicht! Deshalb sind kontinuierliche Gespräche und vertrauensbildende Maßnahmen und ab und zu ein Blick in die Küche, die Toilette und ein Blick rund um den Mülltonnenbereich, falls möglich, sinnvoll und ein Indikator für Frische, gute Produkte und professionelles Arbeiten. So zumindest meine Erfahrung als Assel der letzten dreißig Jahre mit kulinarischer Aufmerksamkeit und Entschlossenheit.

 

Schellfisch mit Senfsoße

 

Der Schellfisch gehört zu den dorschartigen Fischen, ist aber – anders als sein „Bruder“, der Kabeljau – kein Raubfisch und Einzelgänger, sondern ein „Friedfisch“, der sich lieber im Schwarm und in Bodennähe aufhält. Er ist ein ständiger Wanderer zwischen den küstennäheren Weide- und den Laichplätzen im Meer. Dieser Wandertrieb beruht auf der Temperaturempfindlichkeit dieses Fisches. Er orientiert seine Lebensweise an den für ihn optimalen Temperatur-und Nahrungsbedingungen. Angelandet wird Schellfisch frisch auf Eis gebettet oder tiefgekühlt. Als ganzer Fisch gelangt er überwiegend im Anschnitt zum Verbraucher, kleinere Exemplare werden als Angelschellfisch angeboten und gelten als eine besondere Spezialität. Gefrosteter Schellfisch, der nach dem Fang auf See einzeln oder in Platten tiefgefroren wurde, wird zu Convenience-Produkten wie Fertiggerichten oder Schellfisch-Frost-Filets weiterverarbeitet – einem beliebten Produkt am Markt. Ich bevorzuge in Absprache mit dem Fischhändler meines Vertrauens oder meinen befreundeten Gastronomen Angelschellfisch in absoluter Frische. Versucht mal als Assel zu Edelfisch oder Hummer Petersen reinzukommen. Es geht, aber es ist schwierig, weil hier größtmögliche Aufmerksamkeit und Sauberkeit herscht.

 

Die wichtigsten europäischen Fanggründe sind übrigens die nördliche Nordsee, die Barentssee und die isländische Süd- und Ostküste. Ich muss also auf einen zügigen und sachgerechten Transport bestehen, denn kein Kutter liefert mir Schellfisch oder andere hochwertige Nordseefische direkt zu Planten un Bloomen. Der

Begriff absolute Frische bekommt hier allerdings einen dehnbaren Charakter. Wird er behutsam auf Eis gelegt, muss er ja noch die Reise vom Fanggebiet auf die grüne Insel Föhr antreten. Und diese Reise geht, wenn nicht über den Großmarkt von Paris (Rungis), über den großen deutschen Fischvermarkter in Hamburg – die Deutsche See. Wir Asseln haben also in Hamburg eine große Auswahl.

 

Ich verwende für meinen Schellfisch mit Senfsoße etwa 600 gr. Mittelstücke mit Gräte, Salz, Pfeffer, Noilly Prat, etwas Weißwein, 2 Essl. Butter, 1-2 Estragonzweige und Knoblauch und für die Senfsoße etwa 100 gr. Butter, 2 Esslöffel Dijonsenf, etwas Zitronensaft, Cayennepfeffer und etwa 125ml Sahne. Die Zutaten gehen mit dem Fisch und der angedrückten Knoblauchzehe in einen Sous-Vide-Beutel und wird auf einem 200° C angeheizten Ofen in eine Auflaufschale für 10 bis 15 min. gegart. In der Zwischenzeit wird die Butter in der Sauteuse geschmolzen, mit dem Senf aufgefüllt und mit Zitronensaft, Pfeffer und Salz gewürzt. Mit einem Spatel behutsam die Sahne unterheben und so lange rühren und köcheln, bis eine geschmacklich gute und würzige Konsistenz entsteht.

Salzkartoffeln und in würziger Gemüsebrühe pochierte Karotten und Lauchstücke gehen mit dem Fisch eine wunderbare Liaison ein. Der Fischsaft aus dem Sous-Vide-Beutel wird behutsam unter die Senfsauce montiert und mit dem Fisch serviert. Wer keinen Fisch mag - und ich kenne vielen Assel, die keinen Bezug zu diesen wunderbaren Lebensmitteln haben - kann sich an einige behutsam pochierte Kaninchenkeulen wagen und diese mit Senfsauce servieren. Mit einem knackigem Grauburgunder oder Silvaner ein wirkliches Highlight. Hier bleibt allerdings die Frage unbeantwortet, ob es für Asseln so kleine Weingläser gibt.

 

Seezunge auf Blattspinat mit Zitronenemulsion

 

Es ist schwierig mit der Nordsee-Seezunge. „Man kann sie nur als klassisch bezeichnen. Als erzklassisch. Wie Goethe. Und wie dieser Erzklassiker ist sie ausgestorben. Jedenfalls die deutsche Seezunge.“ Zitat nach Wolfram Siebeck. Sie kommt eher im Skagerrak und Kattegat, an der Küste Norwegens südlich von Trondheim, rund um die Britischen Inseln, im Ärmelkanal, in der Biskaya, rund um die Iberische Halbinsel, im Mittelmeer, im Marmarameer und im westlichen Schwarzen Meer vor. Im östlichen Atlantik reicht ihr Verbreitungsgebiet südlich bis zum Senegal. Sie lebt küstennah, auf sandigen und weichen Böden normalerweise in Tiefen von 10 bis 60, seltener bis 150 Meter tief. it weichen Böden kennen wir Asseln uns übrigens aus.

 

Ich brate die Seezunge behutsam im Ganzen je nach Größe in einer Eisenpfanne nature in geklärter Butter auf jeder Seite etwa drei bis fünf Minuten, sie erscheint somit geschmacklich intensiver. Gesalzen und mehliert wird vorher. Den frischen, nassen Babyspinat mit etwas Knoblauch, Pfeffer, Salz und Muskat in Butter sämig anschwenken, heiss werden lassen und mit eiskalten Butterflöckchen und Zitronensaft emulgieren. Die leicht krosse dunkelgelbe Seezunge auf dem Spinat servieren. Mit etwas Gremolata ergänzend würzen und mit dem restlichen Butter-Fisch-Fond aus der Pfanne überziehen. Vielleicht hilft ein Chardonnay zusätzlich weiter. Na, schmeckt´s schon – zumindest beim Lesen?

 

Heringssalat

 

„Am Heringssalat scheiden sich die Geister bzw. die Asseln“, heißt es im Volksmund. Denn jede norddeutsche Familie hat – und da besonders die Omas und die Landfrauen und natürlich auch die Landasseln – ihr eigenes Rezept, und das geht so und so und eigentlich auch nur als Traditionsessen am Silvesterabend. Siebenerlei Zutaten sollen verwendet werden und Glück im neuen Jahr verheißen. Die sieben Zutaten sind Bismarckhering von bester Qualität, Rote Beete, Zwiebeln, Braten vom Kalb oder Rind, Gurke, Äpfel, hartgekochte Eier. Bei der Würzung weicht man je nach Region und Familie jetzt schon mal ab. Die sieben Zutaten sind allerdings kulinarisches Gesetz. Den „glücksbringenden“ Heringssalat soll es übrigens – so zumindest laut den Aufzeichnungen des Husumer Dichters Theodor Storm, auch schon zu Heiligabend gegeben haben. „“Was hat die Oma mitgebracht?“ Worauf die ganze Familie fröhlich zurücksang: „Heringssalat! Heringssalat! Heringssalat!“ Es folgte die Frage: „Was hat sie wieder gut gemacht?“ und darauf wieder die Antwort: „ Heringssalat! Heringssalat! Heringssalat!“

Na dann ran an den Salat.

 

Grundlage hier ist, wie der Name schon sagt, der Hering. Hering lässt sich vielfältig zubereiten. Ob als Konserve oder Marinade, gibt es viele Produktklassiker, die seit Jahren sehr beliebt sind. Ein Produkt mit einer sehr langen Tradition ist auch der Matjes. Ein Matjes ist ein gekehlter, mild gesalzener und mit eigenen Enzymen gereifter Hering, der einen Fettgehalt von 15-20 % haben muss. Außerdem muss er „jungfräulich sein“. Das bedeutet, dass er in dieser Fangsaison noch keinen Rogen oder Milch gebildet hat. Die Fangzeit für Heringe, die zu Matjes verarbeitet werden, geht je nach Witterung von ca. Mai bis Juli. Die Fanggebiete liegen vor allem vor der norwegischen und dänischen Küste, aber auch in der südlichen und westlichen Nordsee. Aus einem Hering wird aber nur ein echter Matjes, wenn er dem ganz besonderen Reifungsprozess unterzogen wird, den man „Kehlen“ nennt. Das Kehlen der Heringe ist eine holländische Erfindung aus dem 14. Jahrhundert. Der Hering wird dabei so ausgenommen, dass ein Teil der Bauchspeicheldrüse erhalten bleibt. Diese setzt im Hering Enzyme frei, die ihn zusammen mit Salz zu einer Delikatesse reifen lassen. Außerdem wird jeder „Matjes in spe“ einmal schockgefroren. Das ist gesetzlich vorgeschrieben und garantiert, dass eventuell im Fisch enthaltene Parasiten wirkungsvoll abgetötet werden.

 

So jetzt aber los. Matjesfilets etwa 2-3 Stunden in Mineralwasser einlegen und wässern. Das gibt zwar das traditionelle Rezept nicht vor, für mich wirkt er feiner und weniger salzig. Matjes trockentupfen und in mundgerechte Stücke schneiden. Alle anderen Zutaten gleichmäßig groß würfeln und unter den Matjes heben. Wer Kapern mag, kann sie noch gehackt hinzufügen. Eine Emulsion aus Essig und Öl herstellen, kräftig pfeffern und behutsam salzen und den Salat darin marinieren. Gekochte Eier pellen und in Scheiben schneiden und locker auf den Salat legen. Mit Schnittlauch, hauchdünnem Grün der Frühlingszwiebel oder ganz dünnen Zwiebelringen garnieren. Fertig!

 

Dicke Bohnen mit „Helgoländer Hummer“

 

Seit wir begriffen haben, um wie viel leichter man kochen und verdauen kann, wenn man sich bloß etwas mehr Mühe gibt und nicht alles übernimmt, was uns Generationen als richtig vorgegeben haben, dann kann man schon die eine oder andere Überraschung im Positiven wie im negativen Sinne in der Kulinarik erleben.

Beide Begriffe, „Dicke Bohnen“ und „Helgoländer Hummer“, lassen hier im klassischen Sinn Spiel- und Geschmacksraum.Dicke Bohnen müssen eigentlich „grün“ und „jungfräulich“ sein. Sie werden also vor dem Erwachsenenwerden geerntet und müssen noch ihr Häutchen hergeben, um direkt an das innere Fruchtfleisch heran zu kommen. Und dieser Kern steht in krassem Widerspruch zu den mehligen dicken Bohnen, die uns in Oma´s Regionalküche immer wieder mit Bauchspeck, dicker Rippe oder Kasseler serviert wird. Was nicht heißt, dass es nicht schmeckt. Die grünen Bohnenkerne werden in einer Kasserolle mit etwas salziger Butter, etwas Zucker und einigen Spritzern Sherry oder trockenen Wermuth ablöschen und durchschwenken. Mit etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer würzen. Kurz vor Fertigstellung (Bissfestigkeit ist sehr individuell) mit Butterflöckchen emulgieren. Kommen wir jetzt zum Hummer. Hummer werden in Deutschland nur vor Helgoland gefangen. Der Genuss der Delikatesse hat jedoch seinen Preis. Der Bestand der Krebstiere ist allerdings akut gefährdet – und auch Helgolands Hummerfischer kämpfen ums Überleben. Wir werden uns das bei unserer Reise nach Helgoland sicher einmal genau anschauen.

 

Das Verbreitungsgebiet des europäischen Hummers erstreckt sich von Norwegen bis zum Mittelmeer. Das jährliche Fangergebnis beträgt etwa 3 – 4.000 Tonnen, wobei die besten Fanggebiete rund um Großbritannien liegen. Viele traditionelle Fangregionen sind aufgrund der großen Nachfrage ebenfalls fast „leergefischt“. Der europäische Hummer deckt heute kaum noch 20 % des Bedarfs in Europa; die Lücken füllen Importe aus den USA und Kanada (American lobster, Homarus americanus).Man wird also auf Föhr auf tiefgefrorenen Hummer zurückgreifen müssen. Da Hummer zum größten Teil lebend gehandelt werden, sind Transport und Lagerung nicht einfach. Nach dem Fang werden sie meist lebend in meerwasserdurchströmten Behältern aufbewahrt. Der Transport erfolgt dann in Kisten, die mit Luftlöchern versehen und mit Stroh oder Holzwolle gepolstert sind. Aus Kanada werden Hummer aber auch gekocht, tiefgefroren oder als Hummerfleischkonserven eingeführt. Große Importeure stellen z. T. selbst Hummerfleischprodukte her. Für mein Rezept basiert auf Hummer vom Frischeparadies in Hamburg.

 

Mit dem High Pressure Lobster hat FrischeParadies mit seinem kanadischen Partner Clearwater ein Premium-Produkt entwickelt, das maximalen Nutzen bei einfachster Verarbeitung bietet. Die Hummer werden vor den Küsten Nova Scotias im kalten, klaren Nordatlantik nachhaltig mit traditionellen Reusen gefangen und schonend verarbeitet. Sie sind besonders vollfleischig, da nur in der Hauptsaison gefischt wird. Kurz nach der Anlandung werden sie in mit Meerwasser gefüllten Überdruckkammern einem plötzlichen Druck von 2.300 bar ausgesetzt und somit innerhalb kürzester Zeit getötet. Im Anschluss werden die Hummer von Innereien befreit, verarbeitet und in rohem Zustand schockgefrostet und vakuumverpackt. Das langsam aufgetaute Hummerfleisch wird kurz in geklärter Butter, die ich mit einem Hauch Vanille verfeinere, erwärmt und unter die Bohnen gehoben. Und wem das geschmeckt hat, der sollte sich einmal mit dem aktuellen Stand des „Helgoländer Hummers“ auseinander zu setzen. Denn 1937 wurden mehr als 80.000 Hummer vor Helgoland gefangen. Seitdem gingen die Bestände der Krustentiere dramatisch zurück. Ein Hummerprogramm könnte die Rettung für das Helgoländer Wappentier sein. Auf unserer Reise nach Norden werden wir uns sicherlich auch die Hummeraufzuchtstation besuchen und unsere kenntnisse über den Kardinal der Meere erweitern.

 

Schmorgurken mit Räucheraal

 

Ein Klassiker des Nordens – obwohl der Räucheraal nicht unkompliziert ist.

In unseren heimischen Gewässern findet man zwei verschiedene Varianten des Europäischen Aals. Die erste, der sogenannte Spitzkopfaal, ernährt sich überwiegend von kleineren Tieren wie Flusskrebsen, Würmern, Krabben, Insektenlarven etc. Die andere, der Breitkopfaal, ernährt sich von größeren Tieren wie Flusskrebsen, Fröschen und kleinen Fischen. Beide Formen können auch nebeneinander in den gleichen Gewässern existieren. Der Aal gehört zu den katadromen Wanderfischen. Das heißt, dass er im Meer laicht und einen Teil seines Lebens im Süßwasser verbringt. Mittlerweile weiß man, dass der Aufstieg in die Binnengewässer nicht zwingend ist, da ein Teil des Bestandes die gesamte kontinentale Lebensphase im Meer verbringt. Lange Zeit war nicht bekannt, wohin der Fisch zum Laichen abwandert. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die bis dahin kleinsten Larven südlich der Bermudas gefunden, so dass man davon ausgeht, dass die Laichplätze in der Sargasso-See (zwischen den Bermudas und den Westindischen Inseln) liegen, etwa 4.000 bis 7.000 Kilometer vom ursprünglichen Aufenthaltsort entfernt!

 

Anfangs leben die 5 mm langen, glashellen Larven an ihrem „Geburtsort“ in einer Tiefe von ca. 100 bis 300 m. Vom Golfstrom erfasst, treiben sie dann quer über

den Atlantik an die Küsten Europas und Nordafrikas. Diese Reise dauert etwa zwei bis drei Jahre. Kurz vor ihrer Ankunft an den Küsten erfolgt die Metamorphose

zum Glasaal. Die Tiere haben nun eine Länge von ca. 60 mm. Dabei wird ihr Körper schlank. Glasaale kommen im Oktober/November zuerst an den portugiesischen und spanischen Küsten an, später dann in Frankreich, Irland und England. An der Nordseeküste und im Kattegat findet man sie von Februar bis März, in der Ostsee noch später. Für die Tiere, die nicht in den Küstengewässern verbleiben, beginnt dann die Wanderung bzw. der Aufstieg in die Flüsse. Wegen der vielfachen Verbauung unserer Flüsse z. B. durch Wasserkraftwerke hat man vielerorts an den Wanderhindernissen Aalpässe, auch Aalstiege oder Aaltreppen genannt, angelegt, um den Fischen den Aufstieg in ihre Aufwuchsgewässer zu ermöglichen. Im dritten bis vierten Lebensjahr nach der Ankunft in den europäischen und nordafrikanischen Gewässern beginnt die Schuppenbildung. Während dieser Wachstumsphase werden die dämmerungsaktiven Aale als „Gelbaale“ bezeichnet, da die Seiten und der Bauch gelblich gefärbt sind. Nach vier bis 15 Jahren in den kontinentalen Gewässern, in weiter nördlich gelegenen noch später, wandeln sich die Gelbaale in sogenannte Blank- oder Silberaale um. Dabei vergrößern sich die Augen, der Kopf wird spitzer, die Haut auf dem Rücken dunkler, der Bauch silberglänzend. Sie bereiten sich auf die große Wanderung zurück zu ihrem Geburtsort vor. Sie stellen mehr und mehr die Nahrungsaufnahme ein, der Körper wird fest und muskulös, es beginnt die Entwicklung der Geschlechtsorgane. Die Abwanderung aus dem Süßwasser findet überwiegend in der Zeit von August bis Oktober und vor allem nachts statt. Man vermutet, dass die Wanderung in die Sargasso-See ca. ein Jahr dauert. Ihre großen Fettreserven (bis zu 25 Prozent ihres Körpergewichtes) dienen den Aalen als „Reiseproviant“. Es gilt als erwiesen, dass die Tiere nach dem Ablaichen in der Sargasso-See sterben.

 

Aalfang an deutschen Flüssen hat eine lange Tradition. Während in den letzten Jahrzehnten der Aalreichtum der Flüsse abgenommen hat, wurden vielerorts in Flüssen und Seen, wo Aal ursprünglich nicht vorkam, Aale künstlich und mit Erfolg angesiedelt, z. B. im Donaugebiet. Auch gewinnt die Aufzucht von Glasaalen in Aquakulturanlagen mehr und mehr Bedeutung, da durch ständig verbesserte Zuchtmethoden höhere Erträge erzielt werden können. Dennoch kann die Aalnachfrage in Deutschland nur zu ca. fünf Prozent mit heimischer Ware gedeckt werden. Rund 95 Prozent des Angebots stammen aus Import und werden zu 90% geräuchert auf dem Markt angeboten.So, aber jetzt zum Rezept. Wir brauchen dazu Salatgurken, Schalotten (Frühlingszwiebeln) Senfsaat, Bohnenkraut, Gemüsebrühe, Schlagsahne, Milch, Butter, Essig, frischer Meerrettich, Dill, Zucker, Lorbeerblatt. Gurken schälen, längs halbieren, Kerne entfernen und in mundgerechte Stücke schneiden. Schalotten vorbereiten, kleinschneiden und in etwas Öl mit den Gurkenscheiben glasig dünsten. Senfsaat, Lorbeerblatt und Bohnenkraut unterheben und mit Brühe, Sahne und Milch auffüllen und ca. zehn Minuten köcheln lassen. Gurkenstücke sollten bissfest sein. Eventuell mit Stärke binden. Mit Salz und Pfeffer würzen, Dill fein schneiden und unterheben. Mit Essig oder Zitronensaft leicht säuern. Man könnte beim Fondansatz auf mit einem Spritzer Wein arbeiten. Den Aal vom Räucherer seines Vertrauens, enthäuten und entgräten und auf die Gurkenstücke legen. Den Kick bildet der frisch geriebene Meerrettich. Festkochende Kartoffeln aus dem Hamburger Umland bilden die optimale Liaison mit diesem Gericht. Wer Aal nicht mag, greift einfach auf  Lachsforelle zurück. Und wer Aal besonders mag, sollte einmal bei Olaf Jensen vorbeischauen. https://geheimtipphamburg.de/geheimtipp/olaf-jensen-berufsfischerei-leckerer-raeucherfisch-in-hamburg/

 

Brathering im Pfeffer-Kräuter-Sud

 

Die Grundlage zum Thema Hering habe ich ja schon beim Heringssalat gelegt. Deshalb geschäftige ich mit erst einmal mit dem Sud, in dem die gebratenen Heringe über Nacht mariniert werden, bevor sie auf den Teller kommen. 200ml Weinessig, 50ml Weißwein, 200gr. Zucker mit 600ml Wasser aufkochen. Wir verwenden gerne das Wasser aus unsere Teichen in der Umgebung wegen des ausgewogenen Mineralienverhältnisses. Zwei geschnittene Zwiebeln, zwei Lorbeerblätter, 1 TL Fenchelsaat, 1 TL Senfsaat, 1 TL grober schwarzer Pfeffer dazugeben und ca. 10 min ziehen lassen. Salzen nicht vergessen und auskühlen lassen.

 

Heringe entlang der Mittelgräte mit den 14 Beinchen auseinander brechen und das Fischfleisch von der Gräte drücken ohne dabei die Filets zu trennen. Sie müssen zusammenhängend bleiben und werden so leicht mehliert und gesalzen in heißem Butterschmalz oder Öl von beiden Seiten ca. 5min goldbraun gebraten.

Hier empfiehlt sich das Küchenfenster zu öffnen. Heringe in eine Auflaufform geben, auskühlen lassen und mit dem Sud vollständig übergießen und ein bis zwei Tage durchziehen lassen. Einige von den Asselfreaks denken auch über Wochen des Durchziehens nach. Einige Auswanderer brachten die Idee von Surströmming aus dem Norden mit. Er wird aus Ostseeheringen gewonnen. Die gereinigten Fische werden in einer Salzlake in offenen Behältern gelagert, um durch Enzyme und Bakterien durch Gärung zu reifen – sie fermentieren. Es bilden sich dabei stark duftende Säuren, wie Propansäure, Buttersäure und Essigsäure – man kann durchaus sagen, dass es stinkt. Er bildet während der Reifung auch Schwefelwasserstoff, was dem Surströmming seinen charakteristischen Geruch verleiht. Anschließend wird der Surströmming zum Nachgären in Konservendosen gepackt. Da er ja weiter gärt, beulen sich der Deckel und der Boden aus, die Dose Surströmming bläht sich auf. Ich bevorzuge lieber eingelegten Hering nach Asselart mit einer Beilage aus Schnittlauchbrot oder Bratkartoffeln.

 

Steckrübeneintopf

 

Eigentlich waren die Steckrüben im Laufe des 19.Jhrdts. als Futterpflanze vorgesehen. Die Versorgungskrise, die der Erste Weltkrieg ausgelöst hatte. Hinzukamen der Rückgang der Produktivität in der Landwirtschaft. Der Mangel an Arbeitskräften, Zugpferden und Maschinen, die kriegsbedingt anderen Aufgaben zugeführt wurden, ließen die Ernteerträge um fast die Hälfte zurück gehen und letztendlich einen Großteil von Mehl, Brot und Kartoffeln als knappe Lebensmittel rationieren. 1916/1917 ging als Steckrübenwinter in die Geschichtsbücher ein, als die Kartoffel fast völlig vom Markt verschwand. Dennoch, 1 kg Steckrüben, 500gr Karotten, drei große Zwiebeln, zwei große Kartoffeln, 1 Stück durchwachsener Speck. Alles putzen und klein schneiden und in etwas Butter anschwenken. Mit 1 ½ L Gemüsebrühe auffüllen, Lorbeerblatt hinzugeben, mit Zucker, Salz, Pfeffer aus der Mühle und etwas Muskat würzen und köcheln bis alle Teile bissfest/weich sind. Kurz vor dem Servieren mit etwas Zitronensaft verfeinern und mit gehackter Petersilie bestreuen. Eventuell mit etwas Asselsalz verfeinern.

 

Himmel und Erde

 

Vielleicht eine der urdeutschesten Speisen. Eigentlich ein Fest für junge Asseln, denn es handelt sich hierbei um Kartoffelbrei mit Apfelkompott. Inwieweit zeitlich eine Blutwurst (boudin noir) mit gerösteten Zwiebelringen hinzukam, läßt sich aus historischer Sicht nicht eindeutig einordnen. Zwei Schwierigkeitsgrade stehen hier im kulinarischen Wettbewerb gegenüber. Ein perfekter Kartoffelbrei und eine authentische Blutwurst vom Metzger seines Vertrauens mit fast schwarzem Brei gefüllt. Drückt man diese fluffige Masse auf den gebutterten Kartoffelbrei, kann es vom Nachbarn am Tisch irritierende Blicke geben. Das Ganze sieht vielleicht komisch aus, schmeckt aber herausragend. Ich genieße sie gerne in alten historischen Traditionsbistros in Frankreich beim Besuch unserer Cousins. Kümmern wir uns also erst einmal um den Kartoffelbrei. Ich, bzw. meine Mitesser, lieben Kartoffeln. Also gehe ich von 1 kg, etwas Salz, gemahlenem Muskat und viel, viel Butter aus. Die weich gekochten Kartoffeln werden kurz ausgedampft und schließlich mit der Hand behutsam aber zügig unter Zugabe kalter Butterflöckchen, Salz und Muskat gestampft. Ganz freche Puristen geben noch einen Spritzer Sahne hinzu, um die Schlotzigkeit zu steigern. Da ich immer wieder Apfelkompott mit verschiedenen Aromen aus meinem Garten eingekocht habe, nimmt diese Zubereitung wenig Zeit in Anspruch. Man muss nämlich aufpassen, dass man nicht von einem herunterfallenden Apfel erschlagen wird, wenn er bei windigen Herbsttagen vom Baum geschüttelt wird. Èdouard-Louis hatte kürlich Glück als er mit einigen seiner Frezunde im Garten plauderte und von einem matschigen Etwas getroffen wurde. Es war ein völlog verfaulter und weicher Apfel, der sich beim Aufschlag auf die verdutzte Truppe zu Muss verformte und bei den Jungs nur verwunderte Gesichter zurück lies! Ich erwärme also jenes Apfelmus leicht während die in Mehl gewendeten Zwiebelringe sich mit der Blutwurst in der Pfanne um die Hitze streiten.

 

Schnitzel Holsteiner Art

 

Benannt ist es angeblich nach dem Geheimrat Fritz von Holstein (1837–1909), der im Ruf stand, ständig in Eile zu sein und deshalb in seinem Berliner Stammlokal Borchardt immer „Vorspeise und mein Schnitzel, schnell, schnell“ bestellt haben soll, weshalb der Koch alles zusammen anrichtete. Hierbei handelt es sich jedoch um eine erfundene Legende. Kalbsschnitzel à la Holstein oder auch Schnitzel Holsteiner Art tauchten Ende des 19. Jahrhunderts in deutschen Kochbüchern auf; sie waren paniert und mit einem Spiegelei belegt, weitere Beilagen variieren. Der Name hat mit dem Geheimrat gar nichts zu tun, sondern er bezieht sich auf die Region Holstein, analog zu ähnlichen Schnitzelbezeichnungen wie „rheinische Art“. (wikipedia) Macht nichts, wenn die Geschichte nicht oder nur zur Hälfte stimmt. In der Kombination und den Texturen ist es ein kleines klassisches geschmackliches Highlight. Einfach Kalbsschnitzel zwischen Frischhaltefolie plattieren, mehlieren und in Butter goldgelb anbraten, mit einem Spiegelei belegen und mit Kapern, die in ein gerundetes Sardellenfilet drapiert werden, garnieren. Dazu werden Croûtons (in Form kleiner Scheiben gerösteten Weißbrotes mit Meerrettich gewürzt), belegt mit Räucherlachs, Ölsardinen und Sardellen gereicht. Manche Regionen servieren noch einen würzigen süß-sauren Gurkensalat mit Dill-Senfsaat dazu. Vielleicht hilft hier auch noch ein Bier und ein Korn!

 

Sauer macht lustig – oder?

 

Bevor ich mich mit der Rezeptur auseinandersetze, will ich mit dem Zitat „Sauer macht lustig!“ etwas klarstellen. Diese Redewendung hält sich laut Sprach- und Geschichtsforschung seit über 300 Jahren. Das scheint irrational, denn wenn ich so richtig sauer bin, was eigentlich selten vorkommt, bin ich gar nicht mehr aufgelegt, um meine Umwelt zu erfreuen und zu unterhalten. Was steckt da wohl dahinter? Ich befürchte, ich werde jetzt wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen und der Sache auf den Grund gehen. Also mir ist das Wasser im Munde zusammengelaufen und nicht nur, weil ich sowieso eine allergische Reaktion gegenüber der Fruchtsäure zeige, die nur durch Erwärmen einigermaßen genießbar wird ohne den Mund- und Rachenraum zu adstringieren.

 

Bei Euch auch? Dann stimmt ja die Redewendung doch. Denn um 1700 bedeutete "lustig": "gelustig", "auf etwas Lust haben"... und zwar im Sinne von "Lust auf etwas zu essen". Sauer macht also gar nicht lustig, sondern im eigentlichen Wortsinn: hungrig! Na also. Funktioniert doch. Die Säure reizt dabei nicht nur unsere Lachmuskeln, sondern regt den Speichelfluss und die Magensäureproduktion an. Antipasti beim geliebten Italiener oder Hors d´oevres beim befreundeten Franzosen nebenan sind oft säuerlich pikant sind. Auch der Tapas-Teller vom Spanier an der Ecke hält da mit. Sie werden überrascht sein, was Sie da alles Saures finden: Gurken, Kapern, sauer eingelegte Pilze, Auberginen, fermentiertes Gemüse und eine Vielzahl von Meeresfrüchten. Und alles führt letztendlich hin zum Hauptgericht, für das die Vorspeisen uns „gelustig“ machen sollen. Und diese Hauptspeise, das Sauerfleisch, schauen wir uns jetzt einmal genauer an. Kochhistorisch ist Sauerfleisch ein sogenannter Assel-Klassiker aus der Regionalküche. Der Name leitet sich vom sauren bzw. säuerlichen Geschmack des Gerichts ab, der durch die Zugabe von Essig oder Weißwein erzielt wird. Regional wird oft auch von Sülzfleisch gesprochen, abgeleitet wie Sülze vom althochdeutschen sulza, „Salzwasser“ ab. In Österreich bezeichnet man das Gericht auch als Tellerfleisch oder Tellersülze. Die norddeutsche Variante zeigt hier Möglichkeiten auf, die stärker das Einweckglas/Einkochglas in den Fokus stellen

 

Es wird in der Regel im Glas gelagert und ist dadurch lange haltbar; zudem „reift es im Glas nach“, indem die Säure des für die Marinade verwendeten Essigs das Bindegewebe (weiter) zersetzt und das Fleisch „besonders zart und mürbe“ macht. Man verwendet dabei meistens Schweinebauch- oder Nacken, der mit Gewürzen wie Wacholderbeeren, Kümmel, Senfkörner, Piment, Lorbeer in Weißweinweinessig, mit Pfeffer und Salz kräftig gewürzt, langsam gesiedet wird. Das fertig gegarte Fleisch wird in portionsgerechte Stücke geschnitten und wieder in den sauren Gewürzsud gelegt. Beim Erkalten geliert die Brühe mit dem im Fleisch enthaltenen Fett, sodass das Gericht eine feste, sulzartige Konsistenz bekommt. Regionale Unterschiede zeigen sich in der Größe der Fleischstücke. Heute kommen das fertig gegarte und zerteilte Fleisch und die gewürzte Marinade direkt in sogenannte Twist-off-Gläser mit Schraubverschluss in den Handel. Das Sauerfleisch wird traditionell mit Bratkartoffeln, Remoulade und sauren Gurken serviert. Manche Gastgeber reichen aber auch dunkles, malziges Schwarzbrot und Butter dazu. Und, hat jetzt sauer lustig gemacht?

 

Schnüsch – Eiweißpower mit dem Bohneneintopf oder alles aus dem Garten mit Milch

 

Je nach Familienrezept wird Schnüsch mal nur mit Milch und Butter oder mit Sahne und sogar Mehlschwitze gekocht. Der Ursprung dieses Gerichtes soll übrigens an der Ostsee, zwischen Schleswig und Flensburg, liegen. Eines vorweg – das Schnüsch oder Schnüüsch Rezept darf/soll ganz genau genommen nur mit frischem Gemüse zubereitet werden! Ursprünglich ging man durch den Garten und pflückte das, was gerade reif für diesen Eintopf war. Aus diesem Grund wird dieses Gericht auch oft „Quer durch den Garten genannt. Und einige unserer Kollegen wohnen in der Großmarkthalle in Hamburg und haben ständig das Schlaraffenland quer durch den Garten vor sich und bringen uns ab und zu etwas rüber. Mit unserer Aussicht auf Planten un Blomen können sie allerdings nicht mithalten.

 

Schnüsch oder Snysk, wie man den Eintopf in Dänemark nennt, ist fast nur im äußersten Norden Deutschlands bekannt. Dieser Eintopf ist eines der Rezepte, bei dem sich die Dänen und die Deutschen regelmäßig „in die Plünn darüber kriegen“, wer ihn denn nun eigentlich erfunden hat. Die nördliche Geschichte und die Verbindungen dieser Region Deutschlands und Dänemarks in den letzten einhundert Jahren läßt allerdings keine kulturhistorische Zuordnung für diese oder jene Nationalität dieses Gerichtes zu. „Wer hat´s erfunden?“ Ganz nebenbei beanspruchen nämlich die Flensburger und Angeliter es als ihr Nationalgericht – aber ich muss alle aus der Region enttäuschen – in Nordfriesland wird Schnüüsch, nach meiner Recherche sehr viel und oft gegessen. Auf Sylt heißt es Hüsk en Snüsk und auf Pellworm „Husch Nusch“. Die Hauptsache ist dabei doch sowieso nur ein Gedanke: Es muss schmecken! Und wenn es sein muss, dann auch südlich des Weißwurstäquators. Hier deshalb von mir eine Kurzfassung für die ZubereitungBohnen unterschiedlichster Gattung waschen, von den Enden befreien und in mundgerechte Streifen schneiden. In Salzwasser kochen, bis sie beim Biss-Test nicht mehr quietschen. Und das ist besonders lustig, wenn Freundinnen von mir mit 14 Beinchen beim Biß-Test erschrecken und die Bohne fallen lassen, nur weil sie quitscht. Jene Bohnen in ein Sieb abgießen und mit kaltem Wasser abschrecken. Einige von uns springen gleich hinterher ins Wasser, um den Feuchtigkeitshaushalt optimal auszugleichen. Zum Abkühlen beiseite stellen. Zwiebeln, Karotten und Kartoffeln schälen und in Würfel schneiden. Die Blätter des Bohnenkrauts fein hacken. Zuerst die Zwiebelwürfel in einer Pfanne in Öl anschwitzen, dann die Karotten- und Kartoffel-Würfel dazugeben und goldbraun anrösten. Die abgekühlten Bohnenstreifen dazugeben und alles mit Milch ablöschen. Das Lorbeerblatt und das fein gehackte Bohnenkraut dazugeben, mit Salz und Pfeffer würzen und aufkochen und ziehen lassen, bis alle Gemüse bissfest zu genießen sind. Assel, zu Tisch bitte!

 

Maischolle mit Speckstippe

 

Laut Fischinformationsdienst (fischinfo.de) soll die Maischolle im Juni am besten schmecken. Dann müsste sie allerdings Junischolle heißen. Aber dazu gleich mehr. Die „Mai-Scholle" verdankt ihren Ruf wohl einer historischen Gegebenheit. In der Vergangenheit, fuhren die Fischer oft erst ab Ende April wieder zu ihren Fanggründen in der Nord- und Ostsee raus und brachten als erste Fänge Schollen mit an Land. Es gab wieder frischen Fisch. Aus dieser „Not“ heraus nahm man auch in Kauf, dass die Schollen im Mai noch vielfach von kleiner Größe und nicht von bester Qualität sind: Schollen laichen zwischen Januar bis Anfang April, der genaue Zeitpunkt ist abhängig von Seegebiet und Wassertemperatur. Direkt nach dem anstrengenden Ablaichen sind die Schollen so erschöpft, dass ihr Fleisch eher wässrig, fade und ausgelaugt schmeckt. Etwa ab Mai, nach dem Ablaichen, beginnen die Schollen sich zu erholen was zur Verbesserung ihrer Fisch/Fleischqualität erheblich beiträgt. Selbst im Oktober, wenn schon wieder Rogen und Milch gebildet werden, ist die Qualität besser als bei einer frühen Maischolle. Man sollte deshalb aus der Not eine Tugend machen und den jahreszeitlichen Zyklus in den kulinarischen Fokus stellen und lieber eine Juli-Scholle zu sich nehmen oder zum zweiten Mal sich den Schnüsch mit anderen Gemüsen zu den Bohnen gönnen. Verwandte von uns arbeiten und leben auf einem Fischkutter, der im Husumer Hafen liegt, berichten immer wieder von diesere wunderbaren Scholle. Ich werde einen Stop auf unserer Reise nach Norden machen, um die Verwandten zu besuchen und aber auch Theodor Storm in der Stadt am Meer besuchen. Vielleicht stellt er mir ja einmal den Schimmelreiter vor! Oder?

 

Lachs mit Gurkengemüse

 

Wer den jahreszeitlichen Zyklus respektiert, kann im Frühjahr ja auch auf Lachs zurückgreifen. Aber so einfach ist das Thema auch nicht. Vor dem kulinarischen Genuss kommt der „Schweiß“. Der feine Geschmack des festen, hellorangenen bis rötlichen Fleisches macht den Fisch, der im Atlantik und im Pazifik zu Hause ist und früher auch in Ost- und Nordsee häufig vorkam, zu einem der beliebtesten Speisefische heißt es in vielen Publikationen. Wegen seines hohen Anteils an Omega-3-Fettsäuren und weil er viele wichtige Vitamine enthält, zählt der Lachs zu den „gesunden“ Lebensmitteln. Werbemaßnahmen und PR-Kampagnen haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass die Nachfrage entsprechend stark nach dem leckeren Fisch angestiegen ist. Sie kann deshalb nur noch durch Zuchtlachse aus Aquakulturen gedeckt werden, da die Fischer nur maximal 5.000 Tonnen im Jahr aus dem Meer holen dürfen. Doch Lachse aus Zuchtfarmen sind

problematisch: Die Tiere werden häufig mit Antibiotika behandelt und mit Fischpellets gefüttert. Zur Fischmehlproduktion wird in der Regel massenhaft Kleinfisch gefangen, der eine wichtige Rolle in der Nahrungskette des Ökosystems Meer spielt und dort dann fehlt. Hier bedarf es allerdings einer tieferen und ausführlicheren Analyse, welche inhaltlich in diesem kulinarischen Essay nicht zu erfüllen ist Es empfiehlt sich daher, entweder auf nachhaltig gefangenen Wildlachs oder auf Zuchtlachs mit Bio-Siegel zurückzugreifen. In den Bio-Lachsfarmen ist der Besatz in den Zuchtkäfigen weniger dicht und die Futterpellets werden aus dem Beifang nachhaltiger Fischerei hergestellt. Bio-Lachsfarmen sind besonders in Schottland und Irland verbreitet. Aber auch hier gilt: Information („Schweiß“) vor kulinarischem Genuss. Also frühzeitig im Frischparadies oder bei Hummer-Petersen vorbeischauen. Für unsere Asselfreunde an den Altonaer Terrassen eigentlich kein Problem und für die, die am Fischmarkt arbeiten, ebenfalls nicht. Falls sie nicht zufällig von Nachtschwärmern zertreten werden.

 

 

„Föhrer“ Muscheln mit Sauerkraut

 

Föhrer Muscheln – es handelt sich hier wirklich um eine Markenbegriff, der die Miesmuschel bezeichnet - werden direkt nach ihrem Fang mit frischen Nordseewasser gereinigt und entsandet. Diese auch als Pfahl- oder Blaumuschel bekannte Art ist hinsichtlich der Beschaffenheit des Meeresbodens weniger anspruchsvoll als die Auster und ein typischer Bewohner der Gezeitenzonen der Nord- und auch der Ostsee, so zumindest unsere Asselfreunde von der kleinen Schweseter von Sylt. Und damit entfällt eigentlich auch der Begriff Föhrer Muscheln, denn das 1996 gegründete Produktions- und Versandzentrum Föhrer Muscheln GmbH liegt auf dem Festland. Mittlerweile befinden sich die Vertriebs- und Verwaltungsräume in Niebüll und die Produktion der „Föhrer Muscheln“ wurde vom Mutterkonzern Delta Mossel B.V. im niederländischen Yerseke übernommen. Aber das tut der Muschel nichts. Die blauschwarze Muschel lebt in Tiefen von bis zu zehn Metern häufig an Stellen mit starker Brandung und auf Sandbänken oder wird an Pfahl- und Treibgestellen, an Tauen oder an Matten kultiviert. Miesmuscheln sind getrenntgeschlechtig. Ein Weibchen gibt 5 bis 12 Millionen Eier ab. Davon  können wir Asselweibchen nur träumen, oder?  Nach ein bis zwei Wochen schlüpfen die Larven, die etwa drei Wochen frei schwimmen und sich an Pfählen, Steinen, Matten und Seilen fest-setzen. Spätestens in vier Jahren erreichen die Muscheln ihre Marktgröße (5 bis 8 cm) Im Meerwasserkühlbad werden sie schließlich auf eine Temperatur von +2° C heruntergekühlt, wodurch die Haltbarkeit und der Geschmack der Muscheln verbessert werden. Anschließend werden die Muscheln sortiert, verpackt und noch am selben Tag ausgeliefert. Die sorgfältige Verarbeitung und die geschlossene Kühlkette vom Fang bis zu Ihrer Haustür garantieren tägliche Frische und beständige Qualität. Föhrer Muscheln sind küchenfertig und praktisch sandfrei. Dennoch schadet es nicht, die Muscheln noch einmal mit klarem Wasser abzuspülen. Sortieren Sie nur zerschlagene Muscheln aus. Leicht geöffnete Föhrer Muscheln sind vollkommen in Ordnung und können ohne Bedenken gekocht werden Für das Grundrezept nehmen Sie einen Bund klein geschnittenes Suppengrün, ein Lorbeerblatt, Zwiebelringe und etwas Knoblauch, und braten alles in Olivenöl kurz an, damit es leicht Farbe ziehen kann. Anschließend geben Sie die Muscheln und einem Schuss Weißwein (oder wenig Wasser) in einen Topf, kochen die Muscheln mit geschlossenem Deckel gar, bis sie aufgegangen sind. Den Topf während des Garprozesses „schütteln“! Asseln, Muscheln sind fertig!

 

Birnen, Bohnen und Speck

 

Mein erstes Gericht Birnen, Bohnen und Speck habe bei einem Zwischenstopp in Hamburg, im Old Commercial Room gegessen. Von Frankfurt kommend hatte ich das Glück von einem Autofahrer mitgenommen zu werden, der auf dem Weg nach Dänemark ausgerechnet im Old Commercial Room Halt machte, um sich mit Freunden zu treffen. Es sei typisch für die Region und lecker. Lecker war es, aber massig und für Autofahrer mit einem Ziel weiter nördlich nicht unbedingt geeignet, wenn man noch Bier und Korn dazu reicht. Aber das ist ein anderes Thema. Auf dem Teller jedenfalls leicht mehlierte grüne Bohnen, ein Stück kross gebratener Bauchspeck, Salzkartoffeln und halbe Birnen mit Preiselbeeren. Das Gericht ist regional geprägt und heißt in plattdeutsch „Beer'n, Boh'n un Speck“, „Grö(ö)ner Hein“, „Grönen Heini“ „Gröön Hinnerk“. Das Besondere der Regionalität sind die Birnen, bei denen es um sogenannte Kochbirnen, vornehmlich Vierländer- oder Finkenwerder-Kochbirnen oder andere Sorten aus dem „Alten Land“ handelt, die wegen ihrer festen Konsistenz gegart werden müssen. Bei den Bohnen ist es ähnlich, wenn es um die Region geht. Bohnen!  Meistens werden gebrochene Grüne Bohnen (Brechbohnen) verwendet. In Hamburg sind auf den Märkten gelegentlich noch „Türkische Erbsen“ zu finden, eine Vierländer Bohnensorte, die früher hauptsächlich für dieses Gericht verwendet wurden. Die Bohnenvarietät, deren Namensherkunft unklar ist, war früher auch Namensgeber für das Gericht, das teils als Türcksche Erbsen bezeichnet wurde. Zu den Bohnen werden während der Zubereitung auch einige Zweige Bohnenkraut beigegeben. Der verwendete Speck ist durchwachsener geräucherter Bauchspeck. Von der Herkunft – etwa aus den Vierlanden, dem Schwarzwald oder Tirol – sind alle Sorten geeignet und bieten dabei geschmackliche Variationen, sowie auch geräucherte Schweinebacke. Der entscheidende Punkt ist jedoch die Lagerung des Specks. Nur der an der Luft getrocknete und gelagerte durchwachsene Speck bringt das angenehme Zergehen der ausgekochten Fettschicht auf die Zunge. Speck, welcher wie heute zunehmend üblich in Vakuumfolie hygienisch gelagert wurde, wird nach dem Kochen faserig und zäh. Ich empfehle den Speck von Mangalitza-oder Wollschweinen. Deshalb mein besonderes Augenmerk auf die Zubereitung!

 

Nach Belieben wird der Speck im Ganzen oder in Portionsstücke zerteilt mit genügend Wasser aufgesetzt und zum Kochen gebracht. Währenddessen werden die Bohnen geputzt, gewaschen und in Stücke gebrochen. Nach etwa 25 Minuten Kochzeit werden die Bohnen zusammen mit dem Bohnenkraut zum Speck gegeben und mit diesen weitergekocht. Von den Birnen werden nur die Blütenansätze entfernt, die Stiele aber werden drangelassen, womit die Haut der Birnen unversehrt bleibt und sie bis zum Schluss zusammenhält. Die Birnen werden nun auf die Bohnen gelegt und alles zusammen behutsam gegart. Parallel werden die geschälten Kartoffeln separat in Salzwasser gekocht. Gegen Schluss der gesamten Kochzeit von ca. 50 Minuten wird noch etwas Mehl mit Wasser verquirlt, in die Kochbrühe hineingerührt und diese kurz aufgekocht. Serviert werden für ca. 100 Asseln  ein bis zwei Birnen auf dem Teller, eine gute Portion Speck und Bohnen sowie Kartoffeln und Kochbrühe nach Belieben. Ein frisches Bier passt als Getränk gut dazu.

 

Variationen verzichten auf das Bohnenkraut, geben jedoch zum Schluss frische gehackte Petersilie hinzu, nehmen statt des Kochwassers Brühe (konfektionierte oder selbst gekocht) und schmecken mit Pfeffer aus der Mühle ab. Na denn, jede Assel macht es gerne anders. Dennoch guten Apettit!